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vom
5.10.21
Land- und Forstwirtschaft. Das sind die Themen des kommenden alphaTrios. Es ist schlichtweg die Diskussionsrunde über Wirtschaftspolitik und wie Investoren darauf reagieren. Frau Maike Schulz-Broers vertritt dabei erstmals die Sicht der Landwirte, Herr Dr. Markus Elsässer investiert mit seinen Fonds aktiv in diesen Sektor und Herr Dr. Markus Krall zieht als renommierter Risikomanager die makroökonomischen Entwicklungen mit in Betracht. Die Medien decken diesen Bereich nicht ab und jeder wird aus der Diskussion einen Mehrwert für sich herausziehen. Folgend ein Vorgeschmack von Frau Maike Schulz-Broers, Initiator von „Land schafft Verbindung e.V.“:
Hat unsere deutsche Landwirtschaft in der heutigen Zeit noch etwas mit Ökonomie zu tun?
Diese Frage stellt man sich, wenn man an Landwirtschaft denkt. Ökonomie steht für Wirtschaft und bezieht sich auf sämtliche Personen, Einrichtungen und Maschinen, die innerhalb eines abgegrenzten Bereichs sowohl Angebot als auch Nachfrage generieren und regulieren.
Ist dies im Bereich Landwirtschaft noch so? War es jemals so möglich?
Im normalen Marktgeschehen bestimmt der Hersteller, was sein Produkt kosten muss, um auch eine Gewinnerwartung und einen Risikozuschlag erhalten zu können.
Beispiel Automobilbranche: Hersteller XY gibt seine Fahrzeuge an einen Händler ab zu einem festgesetzten Preis. Den muss der Händler immer bezahlen, egal, wie er das Fahrzeug im Markt an den Endverbraucher abgibt. Auch, wenn dieser Preis unter dem Einstiegspreis liegt, trägt dann der Händler das Risiko, nicht der Hersteller.
Da man ja davon ausgehen muss, dass Wirtschaft ein Teil der Landwirtschaft sein sollte, müsste also jeder Landwirt genau dasselbe machen. Er errechnet die Produktionskosten seiner Erzeugnisse inklusive Gewinnerwartung und Risikofaktor und bietet genau zu dem so entstandenen Preis seine Ware den Verarbeitern bzw. den Händlern an. Und hat somit überhaupt keine Sorgen und Nöte.
Sollte man meinen. Aber weit gefehlt.
Diese Rechnung machen die Landwirte mit Sicherheit. Allerdings geben sie diese nicht weiter, sondern bekommen ihre Preise vorgegeben. Ja, richtig gelesen. Vorgegeben. Und zwar von den Verarbeitern oder Zwischenhändlern.
Als Frau eines Kartoffelanbauers erlebe ich jedes Jahr aufs neue, dass die Preise durch eine sogenannte Preiskommission, bestehend aus Zwischenhändlern und Handel, unsere Preis vorgibt. Da kommt es schon mal vor, dass man dann nur 5 Euro für einen sogenannten Doppelzentner, also 100 Kg Kartoffeln bekommt, im Laden aber zwischen 1,99 und 3,99 Euro pro Kilogramm dem Kunden in Rechnung gestellt wird. Begründet wird sowas dann mit einer großen Ernte (die aber erst bestimmt werden kann, wenn alle Kartoffeln im Lager liegen und auch vermarktungsfähig sind). Bei einem Durchschnitt von 2,99 € ergeben sich dann also 299 Euro pro Doppelzentner als Umsatz für den Handel, wobei die wahren Kosten der Produzenten hier überhaupt keine Berücksichtigung finden. Und die Landwirte sagen immer, man müsse den langjährigen Schnitt sehen... Ob man so auf einen grünen Zweig kommt? Ich mag das anzweifeln.
Man muss hier aber auch festhalten, dass Landwirtschaft mit der Natur arbeitet und mit Lebewesen. Anders als bei einem Auto sind diese Produkte verderblich, abhängig von einer guten Wetterlage und sehr zeitintensiv, weil man eben nicht einfach Kurzarbeit machen kann, wie beim Auto.
Pflanzliche Produkte, wie zum Beispiel Kartoffeln und Getreide sind auf die Wetterlage, aber auch auf guten Dünger und Pflanzenschutz angewiesen, um sich qualitativ hochwertig zu entwickeln.
Bei tierischen Produkten kommt es auf gute Haltungsbedingungen, qualitativ hochwertiges Futter und eine gute medizinische Versorgung an, um gute Qualitäten zu erzeugen. Egal ob bei Milch oder Fleisch jeglicher Art braucht es gut gepflegte und gesunde Tiere, um hieraus auch gesunde Lebensmittel zu produzieren.
Dieser Aspekt macht Landwirtschaft erpressbar. Unter dem Motto “Lieferst Du nicht zu dem vorgegebenen Preis, macht es eben ein anderer”, setzen die Verarbeiter/ der Handel die Landwirte unter Druck und spielen sie gegeneinander aus. Jahrzehntelang wurde den Landwirten vermittelt, dass man die niedrigen Preise, die sie erzielen, nur über ein eigenes Wachstum, also mehr Fläche/ mehr Tiere, kompensieren können. Aber auch die Landwirte haben sich in diesem System häuslich eingerichtet. Durch den Export unserer Produkte konnte man schlechte Zeiten immer noch kompensieren. Nun bricht diese Absatzmöglichkeit weg. Doch andere Länder haben mittlerweile nachgezogen, zum Beispiel im Bereich Schweineproduktion, um den eigenen Bedarf decken zu können. Das bedeutet für den heimischen Markt wesentlich geringere Absatzmöglichkeiten.
Nur wenige können sich frei machen von diesen äußeren Zwängen und steigen in die Direktvermarktung ein, gründen eigene Molkereien oder Schlachthäuser, vielleicht Erzeugergemeinschaften, um sich ein besseres Standing gegenüber Verarbeitern/ Handel zu erarbeiten. Auch braucht es neue Rahmenbedingungen für die weitere Nahrungsmittelversorgung für die Gesellschaft, die durch die hiesige Landwirtschaft erbracht werden muss, um sich nicht weiter in Abhängigkeiten anderer Länder zu geraten. Dazu braucht es aber neue Wege und Kreativität innerhalb der Wertschöpfungskette. Land schafft Verbindung e. V. ist seit Anfang des Jahres Mitglied im sogenannten Agrardialog. Gemeinsam mit anderen landwirtschaftlichen Vereinen, dem Handel und Teilen der Verarbeitung versuchen wir genau diese neuen Wege zu eröffnen, um eine bessere Verteilung innerhalb der Wertschöpfung zu erreichen. Ein harter, aber hoffentlich lohnender Weg.
Tickets für die Veranstaltung am 23. Oktober 2021 sind ab sofort unter «Tickets» erhältlich.
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