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vom
18.3.22
Viele Menschen vertreten den Glaubenssatz, ihr Einkommen auszugeben und ihr Kapital nicht anzufassen zu dürfen. Das betrifft u.a. die Konzepte der Zinssubstitute, Couponzahlungen und generell den Hype um «Passives Einkommen». Wir möchten das Thema hier konkret anhand von Dividenden abhandeln.
Unternehmen weisen periodisch ihre Erfolgs- und Cashflow-Rechnungen aus. Das, was als Reingewinn oder Free Cashflow übrigbleibt, steht im Grunde genommen den Aktionären für das zur Verfügung gestellte Kapital zu. Dieser Betrag kann nun reinvestiert oder ausgeschüttet werden. Unter Reinvestitionen fallen beispielsweise die Steigerung eigener Kapazitäten und diverse M&A-Aktivitäten. Ausschüttungen können in Form von Aktienrückkäufen oder Dividenden erfolgen. Auch wenn auf der Generalversammlung über die Höhe solcher Ausschüttungen abgestimmt wird, hat sowohl die Geschäftsleitung als auch der Verwaltungsrat relativ viel Spielraum, wie mit den erwirtschafteten Erträgen umgegangen wird. Sogar der Laie wird schnell erkennen, dass die Dividendenrendite somit wenig aussagekräftig und zusammen mit dem sogenannten Payout-Ratio wesentlich repräsentativer ist.
Investitionen in das organische Wachstum können genauso wertvernichtend sein, wie die fast schon omnipräsente Überschätzung von Synergien bei Fusionen und Übernahmen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Unternehmen eine negative Eigenkapitalrendite aufweist oder zu viel für eine Akquisition bezahlt. Natürlich gehen solche Investitionen auch regelmässig gut, doch das zeigt sich erst mehrere Jahre später. Auch Aktienrückkäufe widerspiegeln sich oftmals lange nicht im Kurs. Insofern sind Dividenden attraktiv, weil der Aktionär den Spatz in der Hand hält und nicht auf die Taube auf dem Dach hoffen muss.
Diese Dynamik führt zu einem Paradoxon. Zum einen sollten Unternehmen, welche tiefere Renditen für Ihre Aktionäre erwirtschaften als ihre Peers, ihre Gewinne besser an die Aktionäre zurückgeben. Diese Mittel können dann effektiver allokiert werden. Das kann im Zweifel auch dann passieren, wenn das Unternehmen langsam aber sicher abgewickelt wird. Somit werden die Markführer das Geld tendenziell reinvestieren, was zu besserer Performance nicht-dividendenzahlender Unternehmen führen müsste. Doch das Gegenteil ist der Fall: Empirisch ist belegt, dass dividendenzahlende Firmen langfristig besser performen als der Rest. Das hat zwei Gründe. Einerseits erwirtschaften die ausschüttenden Unternehmen meistens einen Gewinn. Andererseits kann Eigenkapital durch Fremdkapital ersetzt werden, sollte letzteres billiger sein (i.e. Ausschüttungen werden fremdfinanziert, wie beispielsweise bei Apple). Ausserdem erwarten die Aktionäre tendenziell steigende Dividenden, was dazu führt, dass das Unternehmen gewissermassen gezwungen wird, mit den übrigbleibenden Cashflows bewusster umzugehen und dadurch tendenziell nicht so schnell Geld in Akquisitionen oder Restrukturierungen verbraten wird.
Sie sehen, die Sache ist etwas facettenreicher. Doch warum sollten Sie nach dieser etwas langwierigen Erklärung nicht in Dividendenwerte investieren? Die Antwort ist genauso wenig pauschal: Sie sollen gezielt in bestimmte Dividendenwerte investieren – es darf aber nicht das Hauptauswahlkriterium sein. Die Gründe dafür liegen vielmehr in der Finanzplanung als im Investment-Bereich.
Fast die gesamte Welt unterscheidet bei der Besteuerung zwischen langfristigen Kapitalgewinnen und Einkommen. Vor diesem Hintergrund sind Einkommen wie Dividenden oder Zinszahlungen zu vermeiden, denn Sie geben einen Grossteil über die Verrechnungssteuer ab, bevor Sie Ihre(!) Rendite überhaupt erhalten. Deklarieren Sie alles korrekt, erhalten Sie die Differenz irgendwann wieder zurück. Trotzdem haben Sie dann, sagen wir, 20 bis 30% Ihres persönlichen Cashflows abgewürgt. Wir sind nicht gegen die Besteuerung per se, vertreten aber die Meinung, dass Sie nur dann ein Trinkgeld für den guten Service geben sollten, wenn Sie dies auch wirklich möchten. So haben Sie sogar vom Staat aus einen starken Anreiz, unter die Einkommenssteuer fallende Instrumente zu minimieren. Wenn Sie Dividendenerträge also über thesaurierende Fonds oder andere Vehikel reinvestieren, haben Sie dieses Einkommen in einen Kapitalgewinn transformiert und dürften langfristig wesentlich besser fahren.
Wenn Sie sich jetzt fragen, woher Sie denn die Mittel für Ihre persönlichen Ausgaben nehmen, dann lautet die Antwort: Von Ihrem Kapitalgrundstock. Denn dieser wächst dadurch auch vor dem Zinseszinseffekt wesentlich besser. Es macht überhaupt nichts, wenn Sie für diesen Zweck Aktien oder Fondsanteile verkaufen. Unter dem Strich bleibt Ihnen wesentlich mehr. Ausserdem: Warum möchten Sie sich von irgendwem vorschreiben lassen, dass Sie z.B. 4% Ihres investierten Kapitals zu verzehren haben? Oder noch schlimmer: Sie kaufen sich bestimmte Aktien, um auf Portfolioebene auf einen gewissen Ausschüttungsprozentsatz zu kommen. Trennen Sie sich von diesem Irrglauben und fokussieren Sie sich auf eine steuer- und transaktionskosteneffiziente Gesamtrendite.
Wenn Sie sich so und so ausschliesslich auf die Analyse von REITs oder Firmen, die ausgeblutet werden, fokussieren; dann wird Ihnen die Kennzahl der Dividendenrendite alleine ziemlich viel aussagen können. Doch sobald Sie darüber hinaus diversifizieren möchten (was Sie tun sollten), lassen Sie sich bitte nicht von «Dividendenaristokraten» und «Zinssubstituten» blenden, sondern schauen Sie sich das Gesamtbild in puncto Ertragskraft und Steueraufwände an und richten Sie Ihr Portfolio entsprechend aus. Da macht es auch nichts, wenn Sie Kapital verzehren, denn es ist Ihr eigener «homegrown Cashflow».
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